– Vor ein paare Wochen im Mai … –
… war ich eingeladen, auf dem items-Forum 2022 über das Thema „Digitalisierung in Zeiten der Energiewende“ zu diskutieren. Mit dabei waren Karl Heinz Land (Tausendsassa in Sachen Digitalisierung und Innovation, dazu Sprecher, Autor, Unternehmer), dann Tobias Esser (Bereichsleiter Digitalisierung und Informationstechnik bei der Kasseler Verkehrs- und Versorgungs-GmbH), Dr. Andreas Hoffknecht (brandneuer Geschäftsführer Technik bei der DB Energie GmbH) und Sascha Schlosser (Geschäftsführer Digimondo GmbH), den der / die ein oder andere vielleicht hier aus dem Utility4.0-Podcast kennt.
– Wo ist eigentlich das Problem? –
Mein erster Impuls bei der Vorbereitung des Themas war: Was gibt es denn da zu diskutieren? Natürlich spielt die Digitalisierung in der Energiewirtschaft auch und gerade in Zeiten der Energiewende eine zentrale, wenn nicht essentielle Rolle.
– Tempo I –
Die Frage, die wir uns natürlich stellen und gefallen lassen sollten, ist, ob wir als Branche das digitale Thema richtig angehen. Ob wir wirklich auch die Chancen der Digitalisierung sehen und für uns und unsere Kunden und Kundinnen nutzen. Ob wir auch verstanden haben, dass in Zeiten des Klimawandels, in Zeiten des Krieges, in Zeiten des Zeitenwandels nochmal viel schneller digitalisiert werden muss als vorher, wo es „nur“ um effiziente Geschäfts- und Arbeitsprozesse, Kundenzentrierung oder den Smart-Meter-Roll-Out ging.
– Tempo II –
Denn möglichst noch in diesem Jahr sollten wir unser Energiesystem für Haushaltskunden vom Gas entkoppelt haben, besser noch in diesem Jahrzehnt sollten wir unsere Städte und Kommunen fossil-frei- und klima-neutral aufgestellt haben. Die Digitalisierung in der Energiewirtschaft wird zukünftig in einem bislang nicht vorstellbaren Tempo passieren müssen, wenn wir unsere Daseinsvorsorge und Geschäftsmodelle auf versorgungs-sichere und zukunftsfähige Füße stellen wollen.
– Mehr parallel, mehr auf Kante, mehr Giga –
„Wir müssten mehr in den Elon-Musk-Modus kommen.“ lese ich hier und da. Die Standortsuche für die Tesla-Gigafactory in Brandenburg zum Beispiel dauerte 1 Jahr, der Bau dann nochmal 2 Jahre. Windparks brauchen heute 5-7 Jahre, bis sie im Wind stehen. Statt einem Bauantrag gab es bei Tesla viele, statt Anhörungsverfahren vorher abzuhalten, wurden Bürgerforen, Umweltaudits und Wassergutachten parallel zum Bau absolviert und die Baugenehmigung kam gerade noch rechtzeitig zur Eröffnung. Vielleicht braucht es auch einfach nicht mehr, sondern die richtigen Leute am richtigen Platz, dazu Energie, Freiraum – und wenn das alles doch nicht reicht, die Bereitschaft ins Risiko zu gehen?
– Anti-Tempo-Thesen –
Und was sehen wir? Ich habe mal ein paar steile Anti-Tempo-Thesen mitgebracht, die ich mit gerne mit euch diskutieren würde:
- Wir scheuen insgeheim die Graubereiche, das Ungenaue, das noch nicht Perfekte.
- Wir diskutieren uns ins n-1, statt mit der Beta-Version loszulegen.
- Wir vermeiden den offenen, ehrlichen Kontakt mit unseren Kunden, besonders bei Themen, die wir noch nicht zu Ende deklinieren konnten.
- Wir hängen an den Hierachie-Pyramiden in unserem Unternehmen, pflegen immer noch ein letztes Quentchen „Ur-Missvertrauen“ in unsere Mitarbeiter:innen.
- Wir sehen uns gerne einmal als kleines, machtlose Rädchen in Politik und Stadtverwaltung.
- Wir kooperieren am liebsten noch nicht einmal mit dem Nachbarstadtwerk.
- Wir agieren und wirken lieber analog aus dem Vorstandsbüro, als unsere Ideen und Meinungen in sozialen Netzwerken zur Diskussion zu stellen.
Zusammengefasst könnte man sagen: wir digitalisieren zu perfektionistisch, zu passiv, zu hierarchisch, zu misstrauisch, zu unterwürfig, zu unkooperativ, zu verschlossen – und deswegen digitalisieren wir letzten Endes zu langsam.
Hört mal rein in diese Folge, bei der ein wahrer digital animal, ein Stadtwerke-Digitalisierer mit einem Technik-Geschäftsführer bei der Deutschen Bahn und einem Internet-of-Things-Technologe mit mir genau diese Fragen und Thesen diskutieren. Viel Spaß dabei!